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Das war die kulturBdigital-Konferenz 2023 

Für die 5. kulturBdigital-Konferenz strömten am 18.10.2023 rund 190 Teilnehmer:innen ins ATZE Musiktheater. Unter dem Motto „permanently temporary?“ diskutierten sie über die Frage, wie Kultur nachhaltig digital werden kann. Hier erfahrt ihr, worum es in den einzelnen Beiträgen ging, welche Ergebnisse die interaktiven Formate zu Tage förderten, und findet alle Mitschnitte und Fotos.

Verschwommen zu sehen ist eine Gruppe Menschen, die vor einem Leuchtschild mit den Worten kulturBdigital steht. Im Hintergrund sieht man ein Treppengeländer.
Foto: Gregor Fischer

Temporäre Digitalprojekte und –formate helfen Institutionen und freien Künstler:innen, zu neuen Ufern aufzubrechen. Die Arbeit mit Prototypen ist ein notwendiger Schritt, um nicht an Bedarfen vorbei zu operieren. Was aber bleibt, wenn das Fördergeld aufgebraucht, der Projektzeitraum beendet ist? Wie lassen sich neue Formate, Arbeitsweisen und Know-how in den Alltag überführen?  

Dass es der Berliner Kulturszene nicht an Motivation mangelt, um nachhaltig digitaler zu werden, sehen wir bei unseren Veranstaltungen regelmäßig. In ihrer Begrüßung bedankte sich Projektleiterin Annette Kleffel bei den anwesenden Kulturakteur:innen für die tolle Arbeit, die Freude am Experiment, am Mit- und Weiterdenken.  

Wie vielfältig sich unsere Besucher:innenschar im ATZE Musiktheater zusammensetzte, wurde deutlich, als Annette die Spartenzugehörigkeit per Handzeichen abfragte: Theater und Bibliotheken, Konzerthäuser, Museen und Gedenkstätten, die Freie Szene und intermediäre Organisationen waren dort vertreten, um gemeinsam die Frage zu beackern, die Projektmanagerin Silvia Faulstich dann ausformulierte: „Wie kann die Kultur mit dem, was sie digital bewegt hat, noch nachhaltiger werden?” 

Der Kultursenator grüßt – per Video

Nach der Begrüßung durch das kulturBdigital-Team gab es eine Video-Botschaft von Kultursenator Joe Chialo. 

Auf einer Leinwand auf der Bühne des ATZE Musiktheaters ist Kultursenator Joe Chialo zu sehen. Das projizierte Video zeigt ihn frontal in die Kamera blickend. Im Vordergrund sind Teile des Publikums in Rückansicht zu erkennen.
Senator Joe Chialo bei seiner Video-Botschaft. Foto: Gregor Fischer

„The electric light did not come from the continuous improvement of candles.“ Mit diesen Worten des israelischen Wirtschaftsprofessors Oren Harari begrüßte der Berliner Kultursenator Joe Chialo die Teilnehmenden der 5. kulturBdigital-Konferenz – und markierte sie direkt als einen Ort, an dem man gemeinsam aus dem linearen Denken ausbrechen und mit großer Offenheit nach neuen Wegen für die Zukunft des Digitalen in der Kultur suchen darf. 

Die digitale Transformation des Kulturbereichs sei überdies zweifellos eine dauerhafte Aufgabe und müsse von der Politik auch so behandelt werden. Es sei „von entscheidender Bedeutung, dass wir nicht nur kurzfristigen digitalen Trends folgen, sondern zukunftsgerichteten Digitalen Wandel anstreben.“ Den Erhalt und Ausbau von Infrastrukturen und die langfristige Finanzierung von Digitalpersonal in Kulturinstitutionen schloss er dabei ausdrücklich mit ein. 

Hier gibt es die Begrüßung durch das kulturBdigital-Team und die Video-Botschaft des Kultursenators in voller Länge: 

Sisyphos ist kein Role Model

Wer versucht, in Kulturinstitutionen den digitalen Stein ins Rollen zu bringen – sei es durch hybride Veranstaltungsformate, den Einsatz von XR-Technologie oder Kollaborationstools – steht häufig vor einem ganzen Sammelsurium an Hindernissen: Von einer behäbigen Organisationsstruktur über fehlende Technik bis hin zu einem Mindset, das sich am Hype um Künstliche Intelligenz orientiert, statt die eigenen Ziele im Blick zu behalten. Eine Sisyphos-Aufgabe!  

Tina Lorenz, die am Staatstheater Augsburg Deutschlands erste fest etablierte Digitalsparte leitet, sprach in ihrer Keynote vielen aus der Seele, als sie sagte: „Es ist nicht euer Job, den Berg abzutragen, damit sich der Stein leichter rollen lässt. Der Berg ist einzig und allein der Job eurer kommunalen Kulturpolitik.“  

Rednerin Tina Lorenz auf der Bühne, hinter ihr eine Leinwand, auf der eine Collage aus verschiedenen Schlagzeilen zum Thema Künstliche Intelligenz zu sehen ist.
Tina Lorenz (Staatstheater Augsburg) auf der kulturBdigital-Konferenz 2023, Foto: Gregor Fischer
Rednerin Tina Lorenz deutet mit erhobenem Mikrofon auf eine Leinwand, auf der eine Zeichnung von Sisyphos zu sehen ist, der eine Steinkugel einen Hang hochrollt.
Tina Lorenz (Staatstheater Augsburg) auf der kulturBdigital-Konferenz 2023, Foto: Gregor Fischer

Einen Schritt zurück machen 

In fünf Thesen entfaltete Tina dann eine klare Botschaft: Sich an strukturellen Problemen abzuarbeiten oder unter Druck zu versuchen, mit dem vermeintlich neuesten Stand der Technik mitzuhalten, frisst vor allem Zeit und Energie. Die sollten Digitalverantwortliche im Kulturbetrieb lieber investieren, um neugierig und pragmatisch die folgende Frage ins Team zu tragen: „Wo möchten wir mit dem Einsatz von Technik eigentlich hin?“  

Dabei könne es helfen, einen Schritt zurück zu machen, um erstmal ein genaues Gespür für das eigene Kerngeschäft zu bekommen. Was können wir gut, wofür schätzt uns unser Publikum, wo wollen wir nachschärfen? Die Antworten auf diese Fragen ebnen den Weg zur passenden Technik. Wenn man so am Ende beim Einsatz von Overhead-Projektoren auf der Bühne landet: voll okay – und alles andere als langweilig! 

Als erfolgreiches Beispiel für ein solches Denken nannte Tina die Stadtbücherei Hamburg, die mit den bestehenden Verleihstrukturen für Bücher und Medien nun auch Nudelmaschinen und Spielkonsolen auf nachhaltige Weise unters Volk bringt – und so ein neues Publikum erschließen konnte. 

Hier gibt es Tinas Vortrag zum Nachschauen: 

Hardware-Tod und Zombie Code

Teure Geräte, die nach kurzer Zeit den Geist aufgeben oder nicht mehr supportet werden, eigens in Auftrag gegebene Software, deren Code nach Projektende niemand versteht: Das ist das Material, aus dem Technik-Alpträume für Kulturinstitutionen oder freie Künstler:innen geschnitzt sind. Nicolas Zimmer, Jurist, Entwickler und Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin, hatte für seinen Impuls sieben Tipps zusammengestellt, die helfen können, diesem Szenario mit weisen Entscheidungen zu entgehen.  

Ins Thema Hardware stieg er mit den Augmented Reality-Brillen eines US-amerikanischen Start-ups ein. Dieses hatte vor kurzem verkündet, die Cloud-Server für die erste Generation der ursprünglich mehrere tausend Euro teuren Brillen Ende 2024 abzuschalten. Die Brillen, die sich in teils hoher Stückzahl auch im Fundus von Kulturakteur:innen befinden, können dann nicht mehr genutzt werden. Eine offensichtliche Bereinigung des eigenen Marktes, die die Nachfrage nach der zweiten Generation der Brillen erhöhen soll. 

Ein Start-up kann sich so etwas leisten. Eine Firma, die in puncto langlebiger Hardware einen Ruf zu verlieren hat, eher nicht. Auf letztere sollte man also setzen, wenn einem an Hardware gelegen ist, die lange hält. 

Open Source ist das Gebot der Stunde 

Wer Nicolas Zimmer kennt, weiß: Öffentlich finanzierte Software ist für ihn untrennbar mit dem Thema Open Source verknüpft. Das bekamen im Q&A auch manche IT-Unternehmen zu spüren: „Die Dinge gehen ja gerade deswegen nicht voran, weil kleine Butzen versuchen, ihre proprietären Lösungen, die im Übrigen auch noch schlecht entwickelt sind, dauerhaft irgendwohin zu verkaufen.”  

Wer Software bei externen Dienstleister:innen in Auftrag gibt, könne viel dafür tun, dass diese auch nach Projektende genutzt, gewartet und erweitert werden kann. Dafür sollte man darauf bestehen, dass die beauftragte Agentur mit verbreiteten Programmierstandards und auf Open Source-Basis arbeitet. Der Quellcode der Software sollte nicht nur dokumentiert, sondern auch kommentiert werden, damit Entwickler:innen auch nach Jahren noch verstehen, welche Funktion hinter welchen Code-Teilen steckt. Sonst entsteht der sogenannte „Zombie Code“ – „untote“ Code-Teile, die keinen erkennbaren Zweck erfüllen, die sich aber auch niemand zu löschen traut, weil man nicht weiß, was dann passiert. 

Den gesamten Vortrag inklusive Q&A gibt es hier zum Nachschauen: 

Nachhaltig fördern – (wie) geht das?

Mit Kultur Digital geht eines der großen Digitalförderprogramme für den deutschen Kulturbetrieb in die letzte Runde. Was lief gut, welche Projekte haben überlebt und wie können Förderstrukturen zum Nachleben von Projektergebnissen beitragen?  

Unser Konferenz-Motto „permanently temporary?“ treffe sie als Förderinstitution ins Herz, bekannte Programmleiterin Julia Mai (Kulturstiftung des Bundes) zu Beginn ihres Kurzvortrags. Schließlich könnten sie als Bundesinstitution immer nur temporär fördern. Doch auch dabei seien über die vergangenen Jahre viele Projekte entstanden, die über den Förderzeitraum hinaus Bestand haben.  Unter anderem verwies sie hier auf nextmuseum.io, eine Plattform für Schwarm-Kuration und artwork, eine Open Source-Projektmanagement-Software für Kulturprojekte.  

Bezogen auf die Förderbedingungen im Teilprogramm Fonds Digital blickte Julia Mai noch heute zufrieden auf die Entscheidung, nur Verbundprojekte zu fördern. Die Zusammenarbeit zwischen traditionsreichen Häusern und Akteur:innen mit großer digitaler Expertise habe überzeugende Früchte getragen. Als Beispiel nannte sie hier die Kooperation der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf mit dem FFT Düsseldorf, die das Digitale Foyer zum Ergebnis hatte. 

Julia Mai und Janina Benduski iim Gespräch auf der Bühne des ATZE Musiktheaters. Auf der Leinwand im Hintergrund ist das Thema des Gesprächs zu lesen: "Wie kann Förderung zu Nachnutzung und Verstetigung beitragen?"
Julia Mai (Kulturstiftung des Bundes) und Janina Benduski (LAFT) auf der kulturBdigital Konferenz 2023 Foto: Gregor Fischer
Blick ins Publikum: Ein junger Mann mit gelbem Pullover gestikuliert und spricht in ein Mikrofon.
Foto: Gregor Fischer

Im anschließenden Gespräch reflektierten Julia Mai und Janina Benduski (LAFT Berlin – Landesverband freie darstellende Künste Berlin e.V.) die Haltung großer Förderinstitutionen zur langfristigen Wirkung ihrer Maßnahmen. Wie können sie als „Motivationscoach, der Süßigkeiten mitbringt“ dafür sorgen, dass die Motivation bleibt, wenn die Süßigkeiten (also die Fördergelder) aufgebraucht sind?  

Worauf man sich einigen konnte: Eigentlich sollte von Tag 1 eines Projektes an Weiterbetrieb und Nachnutzung gedacht werden. Dabei könnten Institutionen wie die Kulturstiftung des Bundes mit begleitenden und evaluierenden Maßnahmen unterstützen. 

Eine große Evaluation zum Kultur Digital-Programm erscheint laut Julia Mai Anfang 2024. Wir sind gespannt! 

Vortrag, Gespräch und Q&A gibt es hier zum Nachschauen: 

Eine Stelle macht noch keinen Digitalen Wandel

Fest angestellte Digitalmanager:innen, die nicht nur Projekte vorantreiben, sondern auch Arbeitsprozesse optimieren und ein offenes Ohr für ihre Kolleg:innen haben: In 20 baden-württembergischen Landesmuseen ist seit 2020 Wirklichkeit, wovon die meisten deutschen Kulturinstitutionen nur träumen können. Tabea Schwarze ist eine von ihnen.  

In ihrem Online-Vortrag berichtete sie aus ihrer Arbeit für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe – einem Haus, das wegen Sanierungsarbeiten noch bis 2028 geschlossen bleibt und dadurch mehr als andere darauf angewiesen ist, langfristig verfügbare digitale Angebote zu entwickeln. 

Eines wurde in Tabeas Vortrag klar: Was von außen nach Luxus aussieht und sich für viele Mitarbeiter:innen zunächst auch so anfühlt, ist es vor allem für die Digitalmanagerin nicht. Bei allem, was digital zu tun ist, sei auch eine feste Stelle „ein sehr kleiner Tropfen auf einen sehr heißen Stein“, so Tabea.  

In vielen Häusern trete „mit der Implementierung einer Digitalstelle Freude und Erleichterung ein.“ Es entstehe oft die Erwartungshaltung, dass nun alles Digitale von einer Person übernommen und von einem selbst ferngehalten wird, damit man sich wieder den wichtigeren Aufgaben zuwenden könne.

Auf einem Technik-Monitor vom ATZE Musiktheater sind Bilder von Tabea Schwarze und ihren Präsentationsfolien zu sehen.
Foto: Gregor Fischer
Blick aus dem Publikum in Richtung Bühne. Am Redner:innenpult stehen Lara Schulte undd Silvia Faulstich, auf der Leinwand ist Tabea Schwarze zu sehen.
Tabea Schwarze (Kunsthalle Karlsruhe) in ihrer Videoschalte bei der kulturBdigital Konferenz 2023. Foto: Gregor Fischer

Wie man nachhaltigen Wandel anstößt, ohne verrückt zu werden 

Um den verschiedenen Abteilungen eines Hauses zu vermitteln, warum digitale Tools, Arbeitsweisen und Formate nicht mehr verschwinden werden und es auch für sie von Vorteil ist, sich mit ihnen zu befassen, bedürfe es einer großen Übersetzungsleistung. Dafür wiederum müsse man die Kolleg:innen und das Haus mitsamt seiner Geschichte und gewachsenen Prozessen und Strukturen kennenlernen. Mit einer Projektstelle sei das kaum zu bewältigen. 

Positiv berichtete Tabea von den regelmäßigen Vernetzungstreffen der Digitalmanager:innen, die von einer offenen Fehlerkultur geprägt seien. Moderiert von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg könnten dort Synergien unter den Häusern geschaffen werden.  

Tabea dazu: “Gerade, wenn die Stellen im Digitalen knapp sind, ist es umso wichtiger, dass nicht jedes Haus die gleichen Fehler macht, in die gleichen offenen Messer läuft, sondern dass man hier ganz stark andere an den eigenen Erfahrungen, an den eigenen Learnings teilhaben lässt.”  

Hier gibt es Tabeas gesamten Vortrag zum Nachschauen: 

 

Ist das Kulturerbe oder kann das weg?

Verrottende Links & abgeschaltete Webseiten: Das Internet hat kein gutes Gedächtnis. Wie erfährt die ferne Nachwelt also von heutigen Blog-Artikeln und Social Media-Posts, sprich: den digitalen Zeugnissen unseres Lebens?  

Ab Herbst 2023 hat die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (analog zu anderen Landesbibliotheken) den gesetzlichen Auftrag, das digitale kulturelle Erbe Berlins zu bewahren. Almut Pape und Leonie Rodrian leiten das Projekt Webarchiv, das zu diesem Zweck ins Leben gerufen wurde.  

In ihrem Beitrag, der den Vortragsteil der Konferenz abschloss, ging es um das Internet als Ort, der auf zweierlei Weise geschichtslos erscheint: Was wir dort sehen, können wir nicht als Ergebnis vielfältiger Überarbeitungen erkennen. Aber auch: Was wir nicht dort finden, hat (vermeintlich) nie existiert.   

Zwei junge Frauen (Almut Pape und Leonie Rodrian) stehen mit Mikrofonen auf einer Bühne und sprechen zum Publikum.
Almut Pape & Leonie Rodrian (ZLB) auf der kulturBdigital-Konferenz 2023, Foto: Gregor Fischer
Seitlicher Blick ins Publikum: Konzentriert in Richtung Bühne schauende Konferenzgäste.
Foto: Gregor Fischer

Wer entscheidet, was bleibt? 

Am Beispiel einer Berliner Website zeigten Leonie und Almut, was das für ganze Teilbereiche der (Berliner) Kulturszene bedeuten kann. Die Website Art Transponder diente einer partizipativ orientierten Kunstszene über viele Jahre als Anlaufpunkt für Information und szeneübergreifende Vernetzung. Auch viele Video-Dokumentationen gibt es dort und nirgends sonst. Ende 2023 geht die Website offline – und ihre Inhalte versinken, als hätte es sie nie gegeben.

Wie entscheidet man nun, ob die Art Transponder-Website zu den vorerst 1.000 bewahrenswerten Websites mit Berlinbezug gehört, die archiviert werden sollen? Und: Wer trifft diese Entscheidung?

Almut Pape und Leonie Rodrian möchten diesen Prozess so transparent, partizipativ und machtkritisch gestalten, wie es ihnen im Rahmen ihrer Arbeit für eine staatliche Institution möglich ist. Bei der vorerst dreiteiligen Veranstaltungsreihe collect & connect informieren sie über ihre Arbeit, holen kritische Perspektiven von außen dazu und machen Raum für Diskussionen. 

In ihrem Konferenzbeitrag sprachen Almut und Leonie auch von den Bestrebungen verschiedener deutscher Regionalbibliotheken, ihre Webarchivierung in Zukunft über die Infrastruktur der Deutschen Nationalbibliothek laufen zu lassen. Anders als im Vortrag erwähnt, trifft dieses Ziel nur auf manche, nicht auf sämtliche deutsche Regionalbibliotheken zu, wie Almut und Leonie uns im Nachgang wissen ließen.

Stammtisch Web-Archivierung

Ihr befasst euch mit der Bewahrung netzbasierter Kunst oder Kultur? Die ZLB möchte einen Stammtisch Webarchivierung etablieren. Interesse? Meldet euch: 

E-Mail: Landesbibliothek Digital

Hier gibt es ihren gesamten Vortrag zum Nachschauen:

Hinweis: Anders, als im Vortrag behauptet, gibt es von der DNB und einigen Regionalbibliotheken eine Webseitensammlung zur Corona-Pandemie

Die World Cafés: Raum zum Weiterdenken und Vernetzen  

Im Anschluss an den Vortragsteil boten sechs verschiedene World Cafés die Gelegenheit, Impulse von der Bühne im kleinen Kreis weiterzuspinnen, der Theorie praktische Auseinandersetzung folgen zu lassen und nicht zuletzt Erfahrungen auszutauschen und sich zu vernetzen. 

World Café #1 – Auffindbarkeit

Im World Café 1 ging es um bessere Auffindbarkeit für digitale Angebote. Sara Arnsteiner-Simonischek und Anne Eiselein vom Konzerthaus Berlin berichteten von der Konzerthaus-Kooperation mit dem Streaming-Anbieter Twitch. Dort konnten sie zu Corona-Zeiten und auch später sehr hohe Aufrufzahlen mit gestreamten Konzerten erzeugen und ein neues Publikum erreichen.  

Das Projekt wird federführend vom Education-Team des Konzerthauses umgesetzt, das sich durch seine Arbeit mit Schüler:innen mit der Ansprache jüngerer Zielgruppen auskennt. Eigens fürs Digitale geschaffene Formate wie ein Klassikkonzert mit der Musik aus Videospielen waren die Folge. 

Für die Verstetigung des Angebots war es entscheidend, das Technik-Team des Konzerthauses zu schulen, statt beim Streaming auf externe Dienstleister:innen zu setzen. Die Konzerthaus-Techniker:innen konnten auch auf vorherige Erfahrungen aus dem Orchesterbox-Projekt mit der HTW Berlin aufbauen.  

Um das digitale Angebot bestmöglich auffindbar zu machen, wurde es – ähnlich wie die Digitalsparte im Augsburger Staatstheater – in den regulären Spielplan des Hauses integriert.

Was in der Diskussion auch klar wurde: Die Verstetigung digitaler Angebote kann zum Reizthema werden. Manche Teilnehmende hatten sich Tipps erhofft, die mehr auf die kommunale Förderlandschaft ausgerichtet sind als auf die eigenen Möglichkeiten, digitale Angebote zu verstetigen und sichtbar zu halten. 

World Café #2 – Projektergebnisse (besser) teilen 

Im World Café 2 stand zur Debatte, wie Projektergebnisse sinnvollerweise geteilt werden sollten, um andere zur Nachnutzung anzuspornen. Als Diskussionsgrundlage diente das Coding da Vinci-Playbook. Philippe Genêt, der das gleichnamige Kultur-Hackathon-Projekt bis zu dessen Auslaufen 2022 koordinierte, stand für Fragen und Diskussionen bereit.  

World Café #3 – Webarchivierung in der Praxis  

Das dritte World Café wurde gehostet von Anna Schaeffler und Lukas Fuchsgruber, den Leiter:innen des Webarchiv-Projekts Art Doc Archive. Hier gab es Raum, um gemeinsam an Fragen weiterzuarbeiten, die zuvor schon im ZLB-Vortrag Thema waren: Wie kann eine machtkritische Webarchivierungspraxis aussehen? Wie schafft man partizipative Angebote, die auch tatsächlich diverse Gesellschaftsschichten erreichen und nicht nur Teilnehmer:innen aus einer akademischen Welt anziehen? 

World Café #4 – Geteilte Infrastrukturen 

World Café 4 stand im Zeichen gemeinsamer digitaler Infrastrukturen. Zusammen mit Fabian Kraetschmer vom Stadtmuseum Berlin erarbeiteten die Teilnehmenden Vorschläge, um Technik institutionsübergreifend besser zu teilen und gemeinsame technische Standards zu setzen, die die Zusammenarbeit erleichtern.  

Ein paar Ideen: 

Man könnte Einkaufsgemeinschaften gründen. So ließen sich Produkte günstiger erstehen und man käme besser über Technik in Kontakt. 

Wer digitale Tools einführen möchte, muss immer auch Change-Management betreiben. Ein entsprechender Strategie-Stammtisch wäre hilfreich. 

Halbleere Lagerräume sind herausgeschmissenes Geld. Lagerräume zu teilen und über freien Platz zu informieren, wäre eine gute Idee. 

Oft steht teuer gekauftes Equipment den Großteil der Zeit ungenutzt herum, während andere es gut gebrauchen könnten. Die Einrichtung einer Tauschbörse unter Berliner Kulturakteur:innen könnte hilfreich sein. Eine erste Infobörse zu Ausstellungsmaterialien ist zum Beispiel die Pinnwand des Berliner Museumsverbands

World Café #5 – Prototyp fertig, und dann? 

Im World Café 5 berichtete Julia Zimmermann aus dem CityLAB der Technologiestiftung Berlin vom Projekt „Gieß den Kiez“ das den langen Weg vom Open Source-Prototypen zur Verstetigung gegangen ist. Ihre Message: Es wartet zwar niemand auf einen Prototyp, und man braucht viel Durchhaltevermögen, damit sich sein Nutzen erweisen kann. Aber dann können Projekte, die aus der Gemeinnützigkeit stammen und die Stadtgesellschaft einbeziehen einen großen Community-Effekt bewirken.  

World Café #6 – Werkstattgespräch zu XR-Kunst 

Im sechsten World Café zeigte Digitalkünstler Martin Binder, wie XR-Technologie helfen kann, Visionen eines menschenfreundlicheren Berlins zu entwerfen. Um den Blick für ausschließende, defensive Architektur im Stadtraum zu schulen, hatte er Bilder von solchermaßen gestalteten Plätzen mitgebracht – auf deren Basis die Teilnehmer:innen utopische Gegenentwürfe entwickeln sollten.  

Der Konferenzabschluss: Das Prompt Battle

Woher stammen die Fotos, Grafiken und Werke, mit denen KI-gestützte Text-zu-Bild-Software wie DALL·E 2 trainiert wird? Und: Wie steht es um das geistige Eigentum ihrer ursprünglichen Schöpfer:innen? Beim Prompt Battle stand neben kritischen Einspielern zur Herkunft von Trainingsdaten der Spaß an kreativen Prompts im Vordergrund. Auch, wenn der KI-gestützte Bildgenerator DALL·E 2 die Bildgenerierung teils verweigerte, weil die Eigennamen berühmter Personen oder vermeintlich Schlüpfriges in den Prompts vorkam: Ein gelungener und gelöster Abschluss eines themen- und debattenreichen Tages. Hier ein paar Eindrücke: 

Fazit: Was bleibt? 

Wer die eigene Institution nachhaltig digital umkrempeln möchte, schafft dies nicht im Alleingang. Das Team von Anfang an ins Boot zu holen und immer wieder Übersetzungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten, ist einer der entscheidenden Faktoren in den Erfolgsgeschichten von Tina Lorenz, Tabea Schwarze und dem Konzerthaus Berlin. 

Dafür ist eine offene und pragmatische Herangehensweise wichtig, die das Digitale nicht als Ziel, sondern als Weg begreift. Zu schauen, was man wirklich braucht, was einen wirklichen Mehrwert für das eigene Publikum hat – und schon beim Projektstart daran zu denken, wie es nach dem Ende der Förderung weitergehen soll. Wichtig auch: sich dabei nicht von kurzfristigen Trends in die Irre führen zu lassen, sondern sich an der eigenen Kernkompetenz zu orientieren, um diese digital zu ergänzen. 

Hier hilft ein geschärfter Blick dafür, was im eigenen Verantwortungsbereich liegt und was sich dem eigenen Einfluss entzieht. Bei der Anschaffung neuer Hard- und Software das Geschäftsmodell von Anbieter:innen und die nachhaltige Nutzbarkeit im Blick zu behalten, kann gelingen – bei fehlenden Infrastrukturen und sturen Leitungsebenen ist die Kulturpolitik gefragt.   

Was garantiert hilft: sich institutions- und spartenübergreifend zu vernetzen und andernorts bereits vorhandene Expertisen zu nutzen – und zwar so frei und wild wie möglich! Das wurde in den Fördererfolgen des Kultur Digital-Programms so deutlich wie in den Berichten Tabea Schwarzes oder den World Café-Ergebnissen zum Thema gemeinsame digitale Infrastrukturen.  

Text: Thorsten Baulig