Per Virtual Reality durch den Kulturkosmos

Im Tech-Sektor ist Virtual Reality längst vom Buzzword zur Alltagserscheinung geworden – und auch in der Spieleindustrie sind verschiedenste VR-Brillen mittlerweile angekommen. Doch ist Virtual Reality – auch und gerade in Coronazeiten – nicht auch ein interessantes Instrument für den Kulturbereich? Und könnten Social VR Plattformen vielleicht sogar zu neuen Orten des Austauschs und der Performance werden?

Darüber diskutieren Anfang Februar 2021 Expert*innen und Besucher*innen der von der Technologiestiftung organisierten Onlineveranstaltung „Social VR“. Die Veranstaltung gibt es hier zum Nachschauen und -lesen.

Vortrag von Julian Kamphausen (Prater Digital) und unreal.theater, Video: Technologiestiftung Berlin

Um die Frage zu klären, welches Thema bei der Videoschalte zu „Social VR“ im Fokus steht, dafür hätte es heute nicht einmal den Titel gebraucht. Denn spätestens als Arne Vogelgesang von unreal.theater nicht mit seinem Gesicht auf dem Bildschirm auftaucht, sondern als animierter Roboter, ist die Thematik klar: Am ersten Tag der Veranstaltungsreihe geht es um soziale Zusammenkünfte im digitalen Raum  – und auch um die Frage: Wie viel taugt Virtual Reality als Ort für digitale Kulturangebote wie Ausstellungen, Konzerte, Führungen oder Performances?

„Mit Beginn der Corona-Pandemie fielen ja normale Räume der Begegnung weg. Da stellte sich natürlich die Frage: Wie machen wir jetzt weiter?“, hört man Vogelgesangs Stimme. Gleichzeitig gestikuliert sein Roboter-Avatar vielsagend vor einem bunten Hintergrund.  Arne Vogelgesang und seine Mitstreiter*innen Katharina Haverich, Christopher Böhm und Holger Heißmeyer – allesamt Teil des Kollektivs unreal.theater – begegneten dieser Frage schon früh mit einer extra großen Portion Kreativität. Statt auf herkömmliche Methoden und Videokonferenz-Tools wie Zoom oder Microsoft Teams auszuweichen, einigten sie sich spontan darauf, interaktivere Räume zu erkunden.

„Wir wollten etwas, das räumliche Erfahrungen bietet. Also Räume, die begehbar und erlebbar sind“, so Vogelgesang. Und genau da kommt die virtuelle Realität, kurz auch VR, ins Spiel.

Was man darunter überhaupt versteht, erklärt Christopher Böhm, der ebenfalls Teil des Kollektivs aus Künstlerinnen, Schauspielerinnen und Programmierbegeisterten ist: „Im Grunde ist VR als computergenerierte Wirklichkeit zu verstehen – und das ist auch keine wirklich neue Idee.“

Info

unreal.theater und Prater Digital wurden gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa.

Infos zum Förderprogramm

Denn Versuche, eine vollimmersive Parallel-Realität zu entwerfen, gab es bereits in der Vergangenheit. Etwa 1962, als der Produzent und Kameramann Morton Heilig das sogenannte Sensorama, eine vollimmersive Kinoerfahrung, entwickelte. Dazu experimentierte Heilig mit einem Gerät, das nicht nur bewegte Bilder zeigen, sondern auch zu den Szenen passende Gerüche ausschütten sollte – und am Ende sogar den Fahrtwind einer Autofahrt mittels eines Föhns simulieren konnte. Ein erster Vorläufer dessen, was heute vor allem durch VR-Brillen geleistet wird, nämlich der Schaffung einer immersiven Erfahrung durch das Zusammenspiel verschiedener, aufeinander abgestimmter Sinneseindrücke.

Virtuell und sozial

Mittlerweile sei zu der VR-Erfahrung jedoch längst eine gänzlich neue Dimension hinzugekommen, so Böhm: „Die virtuelle Realität ist längst keine Einzelerfahrung mehr, sondern bietet viel mehr Interaktionsmöglichkeiten. Man kann jetzt wirklich mit anderen User*innen in Kontakt treten.“ Und genau das tut das Team des unreal.theater seit nunmehr fast einem Jahr. Zweimal wöchentlich treffen sich die Mitglieder des Kollektivs für mehrere Stunden über das Social VR-Tool VRChat, einem Free-to-Play-MMOG, das es Spieler*innen durch die Nutzung von 3D-Avataren ermöglicht, in einer virtuellen Welt miteinander zu interagieren.

„Das hat teils einen großen Anarchiefaktor und braucht etwas Übung“, gibt Arne Vogelgesang zu, „bietet aber auch eine unglaublich große kreative Freiheit“. Rund 40.000 Nutzer*innen sind in VRChat mitunter gleichzeitig online. Die einen, um sich mit Freund*innen zu verabreden. Die anderen, um auch selbst Hand anzulegen und eigene virtuelle Räume zu entwerfen. Gerade in Zeiten einer Pandemie kann das befreiend wirken, findet Vogelgesang, denn: „Virtuelle Räume sind mit einer Videokonferenz kaum zu vergleichen. Man hat über die VR-Brille und seinen Avatar eine immersive, körperliche Erfahrung.“

Dabei ist VRChat, das vor allem von Teenagern und Mitt-Zwanzigern genutzt wird und durch die comicartige grafische Ausgestaltung seiner Avatare auffällt, nur eine von mehreren Plattformen, auf der sich soziale Kontakte im virtuellen Raum pflegen lassen – und über die auch Zusammenkünfte für künstlerische Performances und andere kulturelle Veranstaltungen längst nicht mehr nur denkbar, sondern auch umsetzbar sind.

Fallbeispiele: VRChat-Einsatz im Kulturbereich

Egal ob 3D oder 2D, ob im Browser oder mit VR-Brille: Längst gibt es eine ganze Reihe von Plattformen, die verschiedenste soziale und technische Bedürfnisse abdecken. Dabei unterscheiden sich die Dienste mit Namen wie VRChat, Mozilla Hubs, Workadventu.re und Gather.town vor allem in der Komplexität ihres Aufbaus und in den Möglichkeiten der Interaktion. „Einige Plattformen bieten einen Audiochat an, andere frei anpassbare Avatare und auch sogenannte Emotes, wieder andere orientieren sich eher an herkömmlichen Videochats“, so Vogelgesang.

Meeting im Gameboy-Look: Screenshot eines Treffens des Teams von unreal.theater auf der Plattform workadventu.re
Screenshot: unreal.thearer in Workadventu.re

2D-Welten

Was: Raumerfahrung via „Spielfeld“ / Karte aus Vogelperspektive; Personen repräsentiert als Avatare in 16-bit Video-Game-Ästhetik, kein VR!

Geeignet für: soziale Events,
selbstorganisierte szenische
Welten

Beispiele: Wonder.me, Workadventu.re, Gather.town, Relm.us, Topia.io, etc.

Video: Mozilla Mixed Reality

Mozilla Hubs

Was: Treffen in frei ‚begehbarem‘ 3D-Raum per Einladung; Personen repräsentiert als Avatare; Audio-Lautstärke nimmt mit räumlicher Distanz zwischen Avataren ab

Geeignet für: Räumliche Ausstellungen,
Übertragung von Architektur,
Simulation von Orten

Video: VRChat

VR-Chat

Was: System aus öffentlichen, halböffentlichen und privaten 3D-Welten; Game-basierte VR-Plattform mit hohem Immersionsgrad und großer Nutzer:innen-Basis (bis zu 40.000 gleichzeitig); Personen repräsentiert als Avatare

Geeignet für: Immersive VR, interkulturelle Begegnungen, Selbsterfahrung, Spiele

Social VR: Virtuelle Räume im Vergleich

Um Neulingen im Bereich Social VR den Einstieg und die Wahl der passenden Plattform zu erleichtern – sei es für den privaten oder den beruflichen Einsatz –, hat das Team von unreal.theater seine Erfahrungen aus verschiedensten VR-Testläufen des vergangenen Jahres zusammengefasst. Wie viel Vorwissen benötigt der jeweilige Dienst? Wie kreativ lässt sich ein virtueller Raum den eigenen Bedürfnissen anpassen und welche Vorkenntnisse sind dafür nötig? Wo wird der höchste Immersionsgrad geboten? Die folgenden Tabellen bieten eine Orientierungshilfe:

Technische Voraussetzungen

FeaturesWorkadventu.reMozilla HubsVRChat
performant für25 Personen/Karte
(kostenlose Version)
25 Personen/Raum30 Personen/Welt
nutzbar mitBrowserBrowser /
Oculus Quest
Desktop / Oculus &
SteamVR Headsets
BetriebssystemWindows / iOSWindows / iOSnur Windows
ZugangskontrolleLink oder AgenturZugang via Link/Codeüber “Freunde”-Verwaltung
selbst hosten?jajanein

Kommunikationsformen

FeaturesWorkadventu.reMozilla HubsVRChat
Audio-Chatja (via Jitsi)jaja
Video-Chat/Streamjajaexterne Videos möglich,
keine Webcam
Text-Chatjajanein
Emojisneinjaja
Körperspracheneinnein (begrenzt)ja ️(vorgefertigte Gesten
bis Full Body Tracking)
Zufallsbegegnungen?neinneinPlattform mit eigener Kultur
und anderen Menschen

Anpassungsmöglichkeiten

FeaturesWorkadventu.reMozilla HubsVRChat
Avatare anpassenjajanein
Avatare erstellenja, mittelja, einfach bis mittelja, einfache bis hoch komplexe
Objekte zuladenneinjanein
Räume erstellenja, mit Tiled (mittel)ja, mit Spoke (leicht)ja, mit Unity3D (komplex)
Interaktion mit Umgebungwenigwenigkomplexe Interaktion mit
Welt programmierbar
Open Source?jajanein

Mozilla Hubs: Fallbeispiel Prater Digital

Wie diese unterschiedlichen VR-Angebote gerade von der Kunst, den Performing Arts und dem Kultursektor im Allgemeinem genutzt werden können, darüber hat sich auch Julian Kamphausen zuletzt viele Gedanken gemacht. Er ist künstlerischer Leiter des Projekts „Prater Digital“ für die Berliner Prater Galerie mit Sitz an der Kastanienallee. Das Ziel: Die Erstellung einer Reihe von digitalen Räumen für Ausstellungen, Performances und Aufführungen. „Wir wollten einen Ort schaffen, der partizipativ ist, also breit nutzbar ist und von möglichst vielen Menschen auf einfachem Wege genutzt werden kann“, so Kamphausen.

Als Mittel zum Zweck suchten Kamphausen und seine Mitstreiter*innen dafür ebenfalls einen VR-Dienst. Ihre Wahl fiel auf Mozilla Hubs, eine experimentelle, VR-freundliche Plattform, mit der sich grafisch relativ simple Umgebungen bauen lassen, die von Nutzer*innen mittels eigens wählbarer Avatare betreten werden können (sowohl per Browseranwendung als auch mit VR-Brille).

Bisher war das ein voller Erfolg. Mehrere Veranstaltungen hat der Prater Digital mittlerweile mithilfe von Mozilla Hubs umgesetzt – und mit eigens dafür angeworbenen Künstler*innen und Programmierer*innen drei Arten von frei begehbaren virtuellen Räumen geschaffen:

„Gäste solcher virtuellen Aufführungen treten dann über einen Spawn-Point bei und können sich frei im Raum bewegen“, so Kamphausen.

Virtuelles Foyer des Prater Digital - angelehnt an die analogen Räume
Virtuelles Foyer des Prater Digital – angelehnt an die analogen Räume
Blick in einen virtuellen Ausstellungsraum von Prater Digital
Prater Digital: Ausschnitt aus der virtuellen Installation „Topography of Vulnerabilities #3“ von Nguyen + Transitory

Erste Schritte im virtuellen Raum

Wie sich die ersten Schritte in solchen virtuellen Räumen in der Praxis anfühlen, das erfahren die Teilnehmer*innen der Veranstaltungsreihe am zweiten Tag des Programms. Ein Gruppe geht mit dem unreal.theater (und VR-Brillen) auf virtuelle Exkursion in VRChat, die andere folgt Julian Kamphausen per Browser in die Welt von Mozilla Hubs. Dabei sollen die Teilnehmer*innen vor allem ein Gefühl für die jeweilige Plattform bekommen, den Aufbau und die Gestaltungsmöglichkeiten der beiden Tools live kennenlernen und auch miteinander ins Gespräch kommen.

Dass solch eine virtuelle Exkursion für die meisten Menschen noch bei weitem nicht so intuitiv vonstatten geht wie ein analoger Spaziergang oder eine spontane Unterhaltung auf der Straße, das zeigt sich dabei bereits in den ersten Minuten. Während es in VRChat eine gute Weile dauert, bis alle Teilnehmer*innen versammelt sind und sich gefunden haben, steht auch Julian Kamphausens Avatar im digitalen Foyer des Praters zu Beginn noch recht alleine da. Einige Nutzer*innen haben Probleme beim Einwählen, andere Avatare sind zwar da, stehen jedoch reglos im Raum und sprechen deutlich hörbar miteinander: „Meinst Du, die können uns hören?“, fragt der pinke Roboter den blauen Roboter. „Ich glaube nicht“, sagt jemand anderes. Schwierigkeiten, die bei den ersten Schritten im virtuellen Raum dazugehören.

Hubs & VRChat: Hürden für Nutzer*innen

Mozilla HubsVRChat
Vorbereitunggering,
Zugang einfach per Link
hoch,
Download Betriebssoftware &
Account anlegen nötig
Startmittel,
Hürden bei Auswahl Avatar & Mikro-Aktivierung
hoch,
Zugang nur nach Freundschaftsanfrage;
während Nutzung: NavigationNavigation per WASD-Tasten ungewohntController-Steuerung ungewohnt,
keine Tastennavigation
während Nutzung: OrientierungAudiostärke variiert mit „Distanz“,
Hinweise können in großen Gruppen z.T. schlecht gehört werden;
Nachzügler verpassen leicht Anschluss
Nachzügler verpassen leicht Anschluss; kein Chat für textbasierte Hilfestellungen
während Nutzung: KörpergefühlAnschrei-Effekt: stehen Avatare zu dicht beieinander, wirkt Audio teils zu laut Übelkeit bei manchen Nutzer*innen von VR-Brillen
während Nutzung: Barrierefreiheitwenig bis gar nicht Screenreader-fähig;
Zeichensprache nicht möglich;
Screenreader funktioniert nicht;
Zeichensprache wäre möglich, technisch noch nicht integriert;
Text to Speech nicht möglich
Ausstieggering, einfach Browser schließenNutzer*innen brauchen ggf. Hilfe beim Abnehmen von VR-Brillen

Doch mit der Zeit läuft alles reibungsloser – und eine ganze Horde von Avataren schwebt und fliegt durch die verschiedenen Räume des virtuellen Praters. Einige bleiben vor Videoleinwänden und Bildern stehen, andere laden selbst Fotos und Links hoch und werfen sich diese zu – und bald schon liegt ein unterschwelliges Gemurmel im Raum, das an eine echte Galerie erinnert.

In einem der großen Ausstellungsräume bleibt Julian Kamphausen stehen und versammelt die Gruppe um sich. „Hier könnt ihr euch umschauen und es gibt auch Links, die wiederum in andere Räume führen“, sagt sein Avatar. Wie viel der Bau eines solchen virtuellen Raums koste, fragt eine Teilnehmerin: „Nicht zu wenig“, antwortet Kamphausen: „Die Tagessätze für Programmierer sind ja relativ hoch, und einen Raum zu bauen dauert bestimmt zehn Tage.“ Wie hoch der Anspruch sei und wie interaktiv so ein Raum sein solle, müsse man sich als Auftraggeber beziehungsweise als Kulturinstitution also gut überlegen – oder auch selbst in die Hand nehmen.

Ein Rembrandt und ein T-Rex

Wie Letzteres aussehen kann, das erfährt derweil eine Gruppe im Mozilla Hubs Experimentierraum. Unter Anleitung von Silvia Faulstich von der Technologiestiftung Berlin fügen die Teilnehmer*innen hier selbst grafische Objekte ein und gestalten den virtuellen Raum zusammen aus. Dafür geeignet sind:

Elemente direkt aus Hubs

  • Fotos / Videos: integrierte ‚Kamera‘ macht Fotos und kurze Videos direkt im virtuellen Raum
  • 3D-Objekte: Zugang zu Modellen über Integration der 3D-Bibliothek Sketchfab

Eigene Elemente

  • Videostream: Teilen der eigenen Webcam
  • URLs: z.B. zur eigenen Website, Permalinks von Digitalisaten oder Videos auf Youtube
  • Dateien: Fotos, Videos, 3D-Objekte, Audiofiles etc. direkt hochladen aus Laufwerk

Und so tauchen wie von Geisterhand schon bald ein hochaufgelöstes Rembrandt-Gemälde und das beängstigend realistische Modell eines T-Rex auf. „Kann man solche Objekte dann einfach so für seine eigenen virtuellen Räume nutzten?“, ist eine der vielen Fragen, die bei diesem Anblick aufkommen. Silvia Faulstich verneint: „Wenn man etwas virtuell öffentlich machen beziehungsweise ausstellen will, dann muss natürlich vorher die Frage der Nutzungsrechte geklärt werden.“

Dass sich neben der Lizensierungsfrage und der Frage nach den Produktionskosten auch noch eine dritte Frage – nämlich die nach der technischen Infrastruktur – stellt, das zeigt sich kurz darauf. „Ihr Zwischenspeicher ist voll. Die Seite wird neu geladen“, steht in der Warnmeldung. Kurz darauf aktualisiert sich die Seite und verlangt eine erneute Anmeldung. Der Raum ist ausgelastet.

Eigene Räume / Welten bauen

Workadventu.reMozilla HubsVRChat
Hardwarejeder Rechnergute Grafikkarte & Arbeitsspeicherleistungsfähiger Rechner;
ggf. Oculus Quest für debugging
SoftwareOpen Source:
Krita für Pixelflächen,
Tiled zum Zusammensetzen
Tool Spoke, ist browserbasiertUnity3D, VRChat, Steam,
Blender (3D-Modellierung)
geeignet fürSpiele- & Webentwickler*innen,
2D-Garfiker*innen
Webentwickler*innen, 3D-Grafiker*innen, Gelegenheits-User*innenProgrammierkenntnisse (C#),
Erfahrung mit 3D-Modelling / Unity
Pros:Software sehr intuitivdrag & drop-Prinzip intuitivsehr viele Interaktionen programmierbar
Cons:nur wenige Interaktionen erstellbarDevelopment-kit noch in Entwicklung;
Welten können nur durch etablierte VRChat-Spieler offen publiziert werden

Euphorie und eine Prise analoger Realismus

Trotz aller Anlaufschwierigkeiten ist das Feedback für die Exkursion ins Virtuelle am Ende zum Großteil positiv. „Mich hat das Ganze total überzeugt“, berichtet ein Teilnehmer der VRChat-Gruppe: „Angangs war ich zwar noch etwas gestresst und desorientiert, aber dann war es einmalig. Das muss man einfach mal erlebt haben und man kann es nicht beschreiben“. Eine andere Teilnehmerin sieht vor allem den Nutzen der VR-Räume für den Kulturbereich: „Ich komme aus dem musealen Kontext und da wäre es toll, solche Erfahrungen zu ermöglichen. Man muss das Museum ja ohnehin mehr für Zielgruppen eröffnen, die digitale Zugänge bevorzugen.“

Gleichzeitig habe die Exkursion jedoch auch die ein oder andere Schwierigkeit aufgezeigt, berichtet Katharina Haverich von unreal.theater: „Insgesamt hat es 30 Minuten gedauert, um sechs Menschen in den VRChat zu bekommen.“ Eine Erfahrung, die auch Julian Kamphausen bei Mozilla Hubs teilt: „Für die einen ging das alles zu schnell, für die anderen etwas zu langsam – und dazu gibt es bei einer großen Anzahl von Teilnehmer*innen schon noch echte Performance-Probleme.“

Und trotzdem hat die Exkursion bei den meisten vor allem Lust auf mehr gemacht. „Wir haben es am Ende echt gut hinbekommen, Objekte in Hubs einzufügen und zu verschieben“, berichtet eine Nutzerin des Experimentierraums: „Einen eigenen Raum zu bauen wäre dann der nächste Schritt.“ Dass dieser womöglich noch etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, das weiß Arne Vogelgesang aus eigener Erfahrung: „Wir haben am Anfang gar nichts gebaut, sondern erstmal nur gelernt. Das ist auch eine Frage des Vorwissens und dann dauert in der Regel auch alles immer länger als gedacht – insbesondere, weil man für jeden virtuellen Raum, der von mehreren Menschen genutzt werden soll, eine Testphase braucht. Da ergeben sich immer wieder neue Bugs.“

Ob Social VR-Plattformen nun ein passendes Tool für die eigene Arbeit oder den privaten Gebrauch seien, das müsse trotzdem jeder weiter für sich entscheiden, schließt Katharina Haverich: „Wir haben ja auch relativ lange gebraucht, um uns einzuleben und waren anfangs skeptisch. Aber irgendwann war uns klar, dass VR zwar gewöhnungsbedürftig, aber auf eine gute Art und Weise anders ist. Man lernt sich dort anders kennen – und das kann immer wieder ein sehr lehrreiches und auch witziges Erlebnis sein. Am Ende ist diese anfängliche Orientierungslosigkeit, gepaart mit einer gemeinsamen Erfahrung, ja auch ein massives Geschenk, speziell in einer Zeit in der körperliche Kontakte kaum mehr möglich sind.“

Text: Kai Schnier