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Barrierefreiheit, Interaktion, Nachnutzbarkeit: Das sind die Förderprojekte 2023

Inklusive virtuelle Räume, mit Musik untermalte Digitalgemälde und ganz viel Publikumsinteraktion: Für die aktuelle Förderperiode zur digitalen Entwicklung im Kulturbereich hat die Förderjury wieder einen bunten Strauß an Projekten ausgewählt und die Berliner Kulturverwaltung den Zuschlag erteilt. Wir stellen sie vor. 

Im Januar 2023 gab die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt bekannt, welche Digitalprojekte von Berliner Kulturakteur:innen im Rahmen des Förderprogramms zur Digitalen Entwicklung im Kulturbereich in diesem Jahr eine Förderung erhalten.  

Einige Projekte machen sich für Inklusion und den Abbau von Barrieren stark, andere möchten die Arbeit hinter den Kulissen erleichtern oder ihr Publikum zur spielerischen Interaktion ermuntern.

Alle Projekte eint der Ansatz, die Ergebnisse so zu dokumentieren und verfügbar zu machen, dass sie für andere Künstler:innen oder Institutionen gut nachnutzbar sind.

Inklusion und Barrierefreiheit 

Im Projekt „Set the Stage“ entwirft Künstlerin Katharina Haverich einen multifunktionalen und inklusiven virtuellen Arbeits- und Aufführungsort, der den Anforderungen an barrierearmes Arbeiten in der Kulturproduktion gerecht werden soll. Damit das gelingt, bezieht das Projekt die Expertise von Menschen mit kognitiven Einschränkungen sowie Seh- und Hörbehinderungen ein.  

Als Basis für die Entwicklung dient die Social VR-Anwendung „VR Chat“. Social VR steht für „Social Virtual Reality“ – virtuelle Räume also, in denen mehrere Nutzer:innen über Avatare in Echtzeit miteinander in den Austausch gehen können. Hier geht es zur Projektseite: virtual-architects.org. 

Viele Basisinfos zu Augmented und Virtual Reality findet ihr in unserem Einführungstext.

Mehr über die Möglichkeiten von „Social VR“ erfahrt ihr in unserem Beitrag Per Virtual Reality durch den Kulturkosmos

Das Projekt des RIAS Kammerchor setzt sich aus zwei Einzelprojekten zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Klassische Musik mehr Menschen zugänglich zu machen. Zunächst sollen bei einer Neugestaltung der Website viele Gruppen mitgedacht werden, die dort bisher vergeblich nach Angeboten suchen, die sich an sie richten: Menschen mit Sehbehinderungen oder kognitiven Einschränkungen und Nicht-Muttersprachler:innen. 

Im zweiten Teilprojekt soll eine Vermittlungsplattform aufgebaut werden, die klassische Musik und bildende Kunst zu Synergien führt. In einer ersten Kooperation mit der Berliner Gemäldegalerie sollen digitalisierte Ausstellungsstücke mit der Musik des RIAS Kammerchor unterlegt werden, um ihnen neue Ebenen des Erlebens hinzuzufügen. Beim Hineinzoomen in bestimmte Teile der Gemälde soll sich auch die musikalische Untermalung ändern. Die Open Source-Software, die dafür entwickelt wird, soll später auch für weitere Kooperationen genutzt werden. 

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Gebärdensprache ist viel mehr als ein Vermittlungs- und Übersetzungswerkzeug. Sie hat eine eigene Ästhetik und kann – künstlerisch eingesetzt – zu Dichtung werden. Mit dem Projekt „Die neue Geste – Talking Hands Expanded“ möchte der Lysius e.V. Gebärdenpoesie als Kunstform bekannter machen.  

Zu diesem Zweck soll eine App entwickelt werden, die „an der Schnittstelle von analoger und digitaler Kunst operiert“, wie die Initiator:innen schreiben. Sie soll verschiedene Ebenen der Sinneswahrnehmung – Sehen, Hören, Fühlen – miteinander in Verbindung bringen, indem sie Tönen Gebärden zuordnet oder Gebärden in abstrakte Formen übersetzt.  

Publikumsentwicklung 

Mit einem „Lebendigen Programmheft“ möchte das ATZE Musiktheater mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene für sein Angebot begeistern. Das Heft soll die Vorzüge des Analogen mit jenen des Digitalen verknüpfen: Man kann spannende Stellen farblich markieren oder Seiten mit Eselsohren versehen, aber auch auf Spiele, Videos und Begleitmaterial zu den Stücken und weiteren Angeboten des Theaters zugreifen. Die wiederum sind auf die verschiedenen Nutzer:innen-Gruppen der Anwendung ausgerichtet – Kinder und Jugendliche, Eltern und Lehrer:innen. 

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Auch die Neuköllner Oper möchte mehr Menschen für ihr Programm interessieren. Die Web-Anwendung „Opera Access“ soll die meist deutschsprachigen Produktionen mit Übertiteln in verschiedenen Sprachen versehen. So soll die Weltgewandtheit und Diversität des Programms bald auch für ein internationales Publikum besser zugänglich sein. 

Digitale Kulturvermittlung

Anlässlich des 90. Jahrestags der „Köpenicker Blutwoche“, einer der ersten Gewaltwellen der Nationalsozialist:innen, haben die Museen Treptow-Köpenick einen deutsch- und englischsprachigen Audiowalk konzipiert und umgesetzt. Er besteht aus zwei Routen, die zu den verschiedenen Stätten des Naziterrors führen. 

Der Audiowalk wird von einer interaktiven Karte flankiert, auf der die einzelnen Stätten angezeigt werden, die auch als je eigene Kapitel anklickbar sind. Außerdem kann man auf der Karte den eigenen Standort anzeigen und sich so den Weg zur nächsten Station ebnen. Am Ende jedes Kapitels gibt es außerdem hörbare Laufempfehlungen zur nächsten Station. 

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Das Online-Magazin Berliner Gazette entwickelt ein Open Source-Tool für audiovisuelles Kuratieren, das zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen soll: das Archiv soll besser nutzbar gemacht und seine bisher voneinander getrennten Bereiche – Zeitungsartikel und audiovisuelle Inhalte – zueinander in Bezug gesetzt werden. Auch künstlerische Inhalte, die bisher nur analog bei Ausstellungen und Konferenzen der Berliner Gazette gezeigt wurden, sollen im Netz auffindbar und mit Texten verknüpft werden.  

Software-Entwicklung für die Erleichterung der Arbeit 

Viele Jugendkunstschulen stehen vor der Herausforderung, ihr breitgefächertes Programm so bekannt zu machen, dass die Kurse gut ausgelastet sind und von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichen Hintergründen wahrgenommen werden.  

Das ATRIUM, Deutschlands größte Jugendkunstschule, möchte diesem Problem zu Leibe rücken: Ein leicht bedienbares und übersichtliches Online-Kursbuchungssystem soll dafür sorgen, dass die Angebote von möglichst vielen Kindern, Jugendlichen und Eltern gefunden werden. Das Projekt wird auf Open Source-Basis umgesetzt und soll danach auch für andere Jugendkunstschulen nutz- und anpassbar sein.  

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Programmierer Markus Schubert und Medienkünstler Georg Werner haben sich die Entwicklung eines Tools vorgenommen, das das gleichzeitige, interaktive und kontrollierte Abspielen von Inhalten über mehrere Videoplayer ermöglicht. Der ZusammenPlayer ist als Open Source-Software konzipiert, die Künstler:innen verschiedener Sparten flexibel auf ihre jeweiligen Bedürfnisse anpassen können.  

Einen ersten Einsatz der Software kann man derzeit im Stück „PIGS“ am Theater an der Parkaue begutachten. Nach Abschluss des Projekts wird die Software frei zum Download zur Verfügung gestellt. 

Die Projekte ZusammenPlayer und Set the Stage waren auch an unserem Stand bei der re:publica 2023 zu Gast und gaben Einblicke in ihre Projekte. Was sonst noch an unserem Stand passierte, lest ihr in unserem Nachbericht.

Text: Thorsten Baulig