Digitale Kulturangebote an die Schulen! Neue Synergien und technische Hürden (in German)

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Wie können digitale Kulturangebote mit dem Alltag von Schulen verknüpft werden? Um diese Frage ging es beim Online- „Frühstückstalk“ der Technologiestiftung im kulturBdigital Lab am 19.3.2021.

Symbolbild digitale Kulturangebote für Schulen: Personen deuten aufr Laptop
Foto: John Schnobrich via Unsplash

Homeschooling und reduzierter Präsenzunterricht – für viele Jahrgangstufen ist dies der neue Alltag. Für die Lehrkräfte bringt das ganz neue Herausforderungen, nicht nur in Sachen Hygiene, sondern auch bei der Entwicklung von hybriden Unterrichtsangeboten. Außerschulische digitale Kulturangebote könnten nicht nur in dieser Situation eine wertvolle Ergänzung sein. Sie könnten die Lehrer:innen unterstützen, den Schüler:innen neue Impulse geben und gleichzeitig der durch Corona eingeschränkten Kulturszene einen Teil ihres Publikums wieder erschließen.

Was auf dem Papier nach der idealen Kombination für beide Seiten klingt, stößt bei der praktischen Umsetzung oft an Grenzen. Die Schulen wissen oft nicht, welche Angebote es zur Ergänzung des Unterrichts überhaupt gibt. Dazu kommen Hürden bei der technischen Umsetzung auf beiden Seiten. Genau an diesen Punkten setzte der Frühstückstalk „Digitale Kulturangebote an die Schulen!“ im kulturBdigital Lab an und fragte die Teilnehmenden: „Wie finden Schule und außerschulische digitale Kulturangebote bestmöglich zusammen?“

Situationsgerecht und lehrplantauglich

An Format-Ideen mangelt es den Kulturschaffenden nicht – wie der rege Austausch gleich zu Beginn des Frühstückstalks zeigte. Im letzten Jahr entstanden beispielsweise interaktive Lesungen für Kinder, virtuelle Museumführungen, digitale Kunstworkshops und Instrumentenvorstellungen per Videokonferenz. Gleichzeitig gibt es erste Anzeichen von Ernüchterung nach der Anfangseuphorie. „Viel Werbung, wenig Resonanz“, bringt es ein Theaterschaffender auf den Punkt. Und eine andere Teilnehmerin meint im Hinblick auf ein Lesungsformat, das sie gerade entwickelt: „Große Frage für mich gerade: Werden die Schulen das annehmen, wenn sie gerade so viel Anderes auf dem Schirm haben?“

Der eingeladene Frühstücksgast, Dr. Yvonne Pauly von der Interdisziplinären Arbeitsgruppe Akademie und Schule an der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW), gab eine ermutigende Antwort: Ja, es kann klappen mit der Verbindung von digitalem Angebot und Schule. „Mit unserem ersten virtuellen Angebot ,Sophie von La Roche im Home Office – Einladung in den literarischen Innenraum‘ haben wir im letzten Herbst deutlich mehr Schüler:innen erreicht, als mit dem bisherigen Präsenzformat unseres Schülerlabors.“

Das Ziel des ‘Schülerlabors Geisteswissenschaften’, das von ihr 2007 als bundesweit erste Einrichtung dieser Art in den Sprach-, Kultur- und Sozialwissenschaften an der BBAW gegründet wurde, ist es, Oberstufenkursen praktische Einblicke in die einschlägige Forschung zu geben. „Die getrennten Welten Schule und Forschung sollen sich treffen und Schüler:innen auch Anhaltspunkte für die spätere Berufswahl geben“, so bringt es Dr. Yvonne Pauly auf den Punkt. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der künstlerisch-ästhetischen Umsetzung der Projekte, die für jedes Thema neu entwickelt wird. Diesen Grundlinien blieb auch die digitale Variante des Schülerlabors treu. Dabei wurde das Thema so gewählt, dass es sowohl zu der aktuellen Pandemie-Situation als auch zum Oberstufen-Lehrplan passt, der die Literatur des 18. Jahrhunderts als Inhalt vorgibt. Ausgangspunkt war ein Text von 1799, in dem die Schriftstellerin Sophie von la Roche ihr eigenes Arbeitszimmer im Stil der damals populären „Zimmerreise“ beschreibt. Ein Podcast mit 12 Episoden bringt den Schüler:innen das Thema näher. Alle Materialien sind auf einer externen Website gebündelt, deren Erstellung auf Basis eines CMS der größte Etatposten im Projekt war. Für die Umsetzung konnte das Schülerlabor auf schon bestehende Netzwerke zurückgreifen, zum Beispiel auf die Kooperation mit einer Schauspielschule für die Lesungstexte.

Dazu gibt es vertiefende praktische Aufgaben, die die Schüler:innen zu Hause bearbeiten und einreichen können. „Wir haben sie zum Beispiel gebeten, eine Raum-Skizze nach der Beschreibung von Sophie von la Roche und eine Bestandsaufnahme der eigenen häuslichen Arbeitsumgebung anzufertigen“, erzählt Dr. Yvonne Pauly. Gerade diese Anknüpfung an die konkrete Lebenswelt kam bei den Schüler:innen gut an. Auch die Einladung auf die passwortgeschützte Projekt-Webseite kam ganz analog per Post: „Die Arbeit der Nutzer:innen in einen passwortgeschützten Bereich zu verlegen, stellt den Versuch dar, der Leitidee des Rückzugs in den Innenraum der Literatur medial zu entsprechen, sie quasi zu virtualisieren. Daneben hatte diese Entscheidung ganz handfeste datenschutz- und urheberrechtliche Gründe und wir wollten dem bewussten Aufsuchen eines spezifischen Ortes im Netz größeres Gewicht verleihen.“

Hürden bei der Finanzierung

Gerade die Gratis-Mentalität macht es Kulturschaffenden schwer, ihre digitalen Angebote zu finanzieren, das wurde in der auf den Vortrag folgenden Diskussion deutlich: „Im Livestream bekommen die Nutzer 3 Stunden tolles Theater für 5 Euro“, berichtete ein Teilnehmer von seinen Erfahrungen, „…dabei kosten digitale Theaterprojekte in der Produktion fast genauso viel wie analoge Aufführungen“. Dazu kommt, dass viele kleinere Spielstätten zu Beginn der Pandemie gar kein Online-Ticketingsystem hatten, das die Bestellung von Sammeltickets für Schulen erlaubt. Hier könnte das Deutsche Theater ein Vorbild sein, bei dem Lehrkräfte seit kurzem ein Stream-Ticket für die ganze Klasse kaufen können.

Beim Thema der Finanzierung wurde deutlich, wie unterschiedlich die Rahmenbedingungen sind, unter denen die Freie Szene und Einrichtungen der öffentlichen Hand arbeiten.

Direktkontakt oder Verteilerplattform?: Sicht- und Auffindbarkeit digitaler Kulturangebote

In anderen Bereichen lassen sich die Probleme aber durchaus vergleichen. Auch das „Schülerlabor Geisteswissenschaften“ stand im Oktober 2020 vor der Frage, wie die virtuelle Variante für Lehrkräfte sichtbar gemacht werden kann. Das Angebot wurde unter anderem über den Bildungsserver Berlin-Brandenburg und die Website der BBAW beworben. Das Fazit von Dr. Yvonne Pauly ist eindeutig: „Am meisten hat die persönliche Ansprache der Fachlehrer gebracht. Wenn man ein Angebot an eine allgemeine info@-Adresse oder das Schulsekretariat schickt, dann versandet das im Postfach.“

Ähnliche Erfahrungen haben auch die Teilnehmer:innen des Frühstückstalks bei ihren Angeboten gemacht: Was wirklich Buchungen bringt, sind persönliche Netzwerke und Mund-zu-Mund-Propaganda. Eine wichtige und zeitsparende Ergänzung dazu könnten Überblicksplattformen sein, die digitale Kulturangebote für Shculen zum Beispiel nach Altersstufe und Bezug zu Lerninhalten bündeln. So gibt es auf dem Berliner Museumsportal eine Übersicht der Angebote für Schulen. Auch auf wirlernenonline.de – einer Suchmaschine für freie Bildungsmaterialien (OER) – oder der Bildungsmediathek der Länder, „Mundo“, könnten digitale Kulturangebote beworben werden. Hier stellt sich aber die Frage, wer über die Aufnahme von Angeboten entscheidet und wie transparent diese Entscheidungen sind.

Beispiele für Verteilerplattformen zu digitalen Schulangeboten

Berliner Museumsportal

Das Museumsportal listet Berliner Museen, die auf Schulen zugeschnittene digitale Angebote bieten. Detailinformationen zu den einzelnen Angeboten finden Lehrende auf den Institutions-Websites.

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Mundo

Mundo ist eine länderübergreifende Bildungsmediathek für Lehrende mit Videos, Arbeitsblättern, Podcasts, Bilddateien, etc. Angebote werden nach Fächern gefiltert. Voraussetzung zur Aufnahme in die Mediathek ist, dass Angebote frei im Netz verfügbar sind.

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Wir lernen online

WLO ist ein Portal von Wikimedia und edu-sharing.net. Die länderübergreifende Suchmaschine für freie Bildungsmaterialien zu Fach- und Querschnittsthemen. Digitale Angebote können zur Aufnahme vorgeschlagen werden.

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Eine weitere Herausforderung für Kulturschaffende ist, dass Bildungsplattformen oft nach Schulfächern gegliedert sind. Typisch für Kulturangebote ist aber gerade, dass sie interdisziplinär angelegt sind. Das Beispiel des ‘Schülerlabor Geisteswissenschaften’ zeigt, dass es Sinn macht, den Lehrkräften mögliche Schnittstellen zu Unterrichtsinhalten aufzuzeigen. „Bei dem Angebot, das wir aktuell planen, wollen wir uns noch näher am Curriculum orientieren“, sagt Dr. Yvonne Pauly.

Mikro-Test als Teil der Inszenierung

Eine weitere Erklärung für den Erfolg des Projektes dürfte auch sein, dass „Sophie von La Roche im Home Office“ auf ältere Schüler:innen ausgelegt ist, die schon einiges an Technikkompetenz mitbringen. Gerade bei jüngeren Kindern kann das aber eine Herausforderung sein. Einige Teilnehmer:innen des Frühstückstalks konnten in dieser Frage wertvolle Erfahrungen aus ihren Formaten beisteuern: Beispielweise können Software-Funktionen wie das Stummschalten des Mikrophons als Teil der Inszenierung spielerisch eingeübt werden. Zwar kann durch den Wechselunterricht nicht immer eine Lehrkraft mit dabei sein, aber oft gibt es Eltern, die im Hintergrund unterstützen.

„Die Lehrkräfte unterrichten fast überwiegend digital und sind daher auch vermehrt bereit, externe digitale Angebote in ihren Unterricht zu integrieren“, beobachtet zum Beispiel Jens Hasselmeier von der Gedenkstätte Hohenschönhausen. Dort bringen die Mitarbeiter:innen mit digitalen Tools wie Videokonferenzen, Etherpad, Mentimeter oder Padlet die Inhalte zu den Schüler:innen nach Hause.

Klar ist aber auch: Durch die digitalen Angebote für Kinder und Jugendliche kommen auf Kulturschaffende ganz neue Aufgaben zu. Zu beachten ist dabei nicht nur die Ausstattungssituation der Lernenden. Gerade bei kleineren Einrichtungen wie Kitas wird aus einem Kulturangebot schnell ein unbezahlter Admin-Job: „Ich höre oft Sätze wie: Wir wollen ein digitales Projekt, aber wir haben kein WLAN“, erzählt eine Teilnehmerin. Künstler:innen brauchen Informationen, Hilfestellungen und Weiterbildungen für die Umsetzung ihrer Onlineangebote. Im Gegenzug werden sie wiederum zu Impulsgeber:innen für die digitale Unterrichtsgestaltung, so die Einschätzung von Silvia Faulstich von kulturBdigital, es ginge aber auch darum, klare Grenzen zu ziehen: „Künstler:innen können nicht die Digitalberatung für Schulen übernehmen.“

Text: Franziska Walser